Mein Himmel auf Erden

Was hat Sie in diesem Jahr glücklich gemacht?

Prominente Deutsche von Dieter Bohlen bis Bischof Karl Lehmann haben darüber nachgedacht.
ANNETTE MARIA RUPPRECHT

"Ein triumphales Gefühl"
MAVIE HÖRBIGER, SCHAUSPIELERIN

Um mich innen drin glücklich zu fühlen, brauche ich meine Familie und meine Freunde. Einfach zu wissen, sie sind da, auf die kann ich mich verlassen. Der euphorische Glücklichseinzustand in diesem Jahr? Betrunken in Berlin. Das High - Gefühl, wenn man mit Freunden unterwegs ist. Spaß zu haben, durch die Kneipen zu ziehen. Pogo! Glück ist ein triumphales Gefühl. Mavie Hörbiger heiratet Robbie Williams - das wär doch eine klasse Schlagzeile. Ich bin ein glücklicher Mensch. Wir leben in einem Land des puren Reichtums. Wir dürfen eigentlich nur glücklich sein. Wenn ich mich unglücklich fühle, sind das nur Launen. Allein glücklich sein kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Dazu bin ich viel zu sehr Rudelmensch.

 

"Früher war man viel zu leichtfertig"
LOTHAR-GÜNTHER BUCHHEIM , SCHRIFTSTELLER

Was mich wirklich glücklich gemacht hat, ist mein Buch "Der Abschied". Wenn man jahrelang an einer schwierigen Sache gearbeitet hat - bei meinem Buch geht es um Kernspaltung, auch um den Nuklearantrieb von Schiffen -, dann müssen Sie gleichsam wieder in den Hörsaal gehen und versuchen, das Nötige zu kapieren. Reines Glück war, dass ich nun diesen Band hier, von dem ich auch den Umschlag gemacht habe, in die Hand nehmen und mir sagen konnte: "Was für ein schönes Buch ist aus den 14 Leitz-Ordnern, die hier herumstanden und mich störten, geworden. Ein schöner grauer Vorsatz, schwarze Schutzumschlagklappen, ein schön gesetztes Widmungs- und Zueignungsblatt - alles, wie ich es mir gewünscht habe! Endlich wieder ein richtig schönes Buch.
Da war ich sehr, sehr, sagen wir es ruhig, glücklich. Ich unterscheide nämlich zwischen "glücklich" und "happy". Es gibt einen jüdischen Witz. Zwei emigrierte Juden treffen sich wieder in New York.
Der eine fragt den anderen: "Are you happy in the new country?" Der andere sagt: "Yes, I am. Why do you ask?" Da fragt der erste noch mal: "Are you really happy?" "Yes, I am really, really happy," Da fragt der erste: "Biste glicklich?" und bekommt die Antwort: "No, glicklich natürlich nicht."
Das Glück läuft einem im Alter selten über den Weg. Man wird ja immer anspruchsvoller. Früher war man viel zu leichtfertig mit dem Glück. Man hat es oft gar nicht richtig wahrgenommen. Es gab Zeiten, da war ich dauernd glücklich. Die Glücksmomente nehmen ab. Das ist nun mal so. Aber das erste Exemplar von diesem Buch in die Hand zu nehmen, das war noch einmal richtiges Glück. Ganze Heerscharen haben in den letzten Jahren versucht, mir das Leben schwer zu machen. Vor allem bei meinem Museum. Ich glaubte, ich müsste entweder auf mein "Museum der Phantasie" verzichten oder auf mein Buch "Der Abschied". Nun habe ich beides geschafft. Das ist mehr an Glück, als ein Mensch verdient.

 

"Das äußere und das innere Glück"
HANNELORE ELSNER, SCHAUSPIELERIN

Das äußere Glück, das ist der Kinofilm "Die Unberührbare". Das ist ganz großes Glück für alle, die daran beteiligt sind. Dass so ein Film, den wir so bescheiden, kreativ und konzentriert gemacht haben, so ankommt, jeden in seiner Seele trifft, das ist etwas ganz Besonderes. Das Glück daran ist auch, dass man belohnt wird - mit Verstehen, mit Zuneigung, mit Anerkennung. Es ist der richtige Film zur richtigen Zeit. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, das ist auch Glück. Das große innere Glück ist für mich in diesem Jahr, die sehr schwierige und doch sehr lebendige Entwicklung meines Sohnes mitzuerleben. Wie es bergauf und bergab und bergauf geht. Dass er mich dabei sein lässt. Und dass ich ihm dadurch auch helfen und zur Seite stehen kann, das ist für mich Glück. Ob es für ihn ein Glück ist, weiß ich nicht genau. Glück ist auch in der Einsamkeit. Ich finde, dass man sich in der Einsamkeit sehr finden kann. Wenn man bei sich ist und alles gut sein lässt, kann man Glück empfinden und geben. 
Liebe ist Glück. Dass ich bei allem, was ich erlebe, nicht härter werde, sondern durchlässiger und weicher. Glück ist auch, wenn ich vier Kilo zunehme und mich nicht darüber gräme. Warum muss man eigentlich immer glücklich sein? Wenn man kreativ ist, ist man meistens nicht so schnell glücklich, nur in seltenen Momenten. Wenn man das Gefühl hat, dass etwas Durchlässiges entsteht. Dass man eins mit dem Universum ist, wenn so ein Blitz durch einen durchgeht. Das ist nicht glücklich sein. Das ist viel mehr als glücklich sein. Das ist wahrscheinlich Erfüllung. Das ist wahrscheinlich Erkennen.

 
"Wichtig ist das Gemochtwerden"
REZZO SCHLAUCH, POLITIKER

Unter Glück verstehen manche, wow, ein Riesen - Event. Das kleine Glücksmoment, das intime Glück, das zählt gar nicht mehr. Heute geht es mit einer Million bei Jauch erst los. Alles darunter ist Peanuts. Ich bin eher ein Anhänger der kleinen Glücksmomente. Vielleicht auch deshalb, weil mir zurzeit nichts anderes übrig bleibt, zeitmäßig. Solche Momente sind, einen schönen Abend mit interessanten Leuten verleben, mit spannenden Diskussionen, vornehmlich auch außerhalb der Politik. Oder vor Leuten, die einem vom Umfeld her nicht so nahe stehen, eine gute Rede zu halten und Beifall zu bekommen. Oder man fährt im Sonnenschein durch eine märkische Allee. Das sind kleine Einsprengsel in einer Knochenmühle.
Ich glaube, dass Glück nur erleben kann, wer selbst freundlich zu Menschen ist. Denn ganz wichtig für mein Glücksempfinden ist das Gemochtwerden. Der schönste Moment, den ich sehr oft erlebe, ist, wenn Leute sagen: "Sie sind anders als die anderen Politiker. Sie fallen da raus, mit Sprache, mit Gestik, so, wie Sie auftreten." Das gibt mir immer wieder die Kraft, diesen teilweise äußerst kleinkarierten, frustigen Betrieb zu ertragen.

"Ich wäre gerne unsterblich"
DIETER BOHLEN, MUSIKER

Letztes Wochenende war ich bei meiner Exfrau, mit der ich die drei Kinder habe. Wir waren den ganzen Tag zusammen, ich habe mit meinen Kindern gespielt, und abends haben wir zusammen Abendbrot gegessen. Sie hatte da megamäßig aufgefahren. Ich hatte das Gefühl, ich hätte das ganze Alster-Einkaufszentrum bei mir auf dem Tisch stehen. Die Kinder hatten die Kerzen angemacht und so. Auf so was fahre ich total ab. Das berührt mich. Das finde ich toll. Das ist dann so ein Augenblick, wo man sich denkt, Mensch, jetzt müsste die Zeit stillstehen. Glück ist ja ein bisschen auch das, was man normalerweise nicht hat.
Wenn ich die ganze Zeit und jeden Tag mit meinen Kindern dasitzen würde, jeden Tag toll essen würde mit denen, dann wäre das für mich normal. Aber so habe ich das leider ja nicht. Und die waren auch auf einmal alle so lieb, und keiner war laut, und draußen war alles ruhig und dunkel, und die Kerzen flimmerten da so, und die guckten auch so süß – das war hammermäßig.
Ich wäre gerne unsterblich. Ich weiß, dass Sie jetzt meinen, der ist geisteskrank, aber ich finde das Allerschlimmste am Leben, dass es endlich ist. Darüber macht man sich mit 46 auch zunehmend Gedanken. Die ersten 46 Jahre, Mensch, das war echt ein Fliegenschiss.
Dieser Wunsch zu leben ist in mir eigentlich immer größer geworden. Alle sagen doch immer, alles hat Vor- und Nachteile. Jetzt soll mir mal einer erzählen, was der Vorteil am Sterben ist. Gut, der einzige Vorteil ist vielleicht, dass ich Platz mache für andere. So arrogant darf man natürlich auch nicht sein.
Wenn jetzt jeder so denken würde wie ich, würde die Welt in ein paar Jahren explodieren. Aber sonst: volle Kanone, Dieter Bohlen. Ich möchte niemand anders sein. Ich will ja nicht parallele Leben, sondern ich will nach vorne leben, so alt werden wie Methusalem.
Ich stehe total auf alte Menschen. Meine Oma fand ich immer toll. Alles, was ich weiß und fühle und was überhaupt in mir drin ist, ist meine Oma. Sie lebt quasi in mir weiter. Alles, was die mir gesagt hat, das ist hier drin, und das werde ich auch nie vergessen. Meine Oma war wirklich eine hochintelligente Frau. Die hat mir - abends vorgesungen. „Jesus geh voran auf der Lebensbahn", "Der Mond ist aufgegangen" und so weiter. Ich könnte meinen Kindern "Cheri Cheri Lady" vorsingen, aber ich weiß nicht, ob sie davon einschlafen können.

 

"Ich spürte eine innere Ruhe"
SAHRA WAGENKNECHT, POLITIKERIN

Anfang des Jahres hatte ich viele Polittermine, unschöne Auseinandersetzungen in der Partei, absoluten Stress. Dann bin ich im Juni nach Irland gefahren, wo mein Mann wohnt. Am ersten Abend dort, nachdem das alles hinter mir lag, spürte ich auf einmal eine innere Ruhe, wie ich sie lange nicht mehr kannte. Da fiel plötzlich alles von mir ab, der Druck, die Zweifel. Wenn man wochenlang von Termin zu Termin hetzt, angegriffen wird, oft unter Niveau, da fragt man sich manchmal doch, ob das alles wirklich was bringt, ob man überhaupt was erreicht. Und dann saß ich da, die runden irischen Hügel vor mir, die Schwanenfamilie in unserer Bucht, ein Fischreiher, der vorbeizog, dazu das wunderbare irische Abendlicht, das es nirgendwo sonst auf dieser Welt gibt - es war unendlich schön, es war ein Augenblick, von dem ich sagen würde, ich war glücklich. Politik ist wohl kaum der Ort von Glück. Obwohl ich zugeben muss: Ich liebe zwar die Abgeschiedenheit als Kontrast, als einen Ort, wo man Kraft schöpft, aber ich wäre garantiert nicht in der Lage, in solcher Ruhe mein Leben zu verbringen. Politische Ziele sind für mich ein wichtiger Lebensinhalt. Wenn wir schon über Glück reden: Das ist natürlich auch eine gesellschaftliche Frage. Nicht, dass bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse glücklich machen können. Das können sie nie. Aber gesellschaftliche Rahmenbedingungen entscheiden mit über die Möglichkeiten von Glück. Wer heute als Kind arbeitsloser Eltern aufwächst, hat schlechtere Chancen, sich zu verwirklichen. Armut ist längst wieder erblich geworden. Der Zugang zu den meisten Dingen, die Lebensqualität ausmachen, ist durch Geld limitiert. Und dessen Verteilung wird immer ungerechter. Natürlich kenne ich auch das Gefühl von Glück als Rausch. Wenn man frisch verliebt ist etwa, wenn man durch die Welt lauft wie in Trance, nichts mehr um sich sieht, nichts mehr richtig wahrnimmt, an nichts mehr denken kann als an diesen einen Menschen. Das ist jenseits von Zeit und Raum, von Politik und Gesellschaft, das ist einfach das Schönste, das es gibt.

 

„Melancholie des Glücks“
KARL LEHMANN, BISCHOF

Wenn ich an meinen Dienst als Bischof denke, dann bin ich sehr glücklich, dass der Papst sich entschlossen hat, diese längst fällige Vergebungsbitte für die Verfehlungen der katholischen Kirche auszusprechen. Gerade vor den heutigen Auseinandersetzungen bin ich froh, dass es ihm geglückt ist, vorher noch nach Israel zu reisen. Wer selber für sich das Glück in direktem Angriff anstrebt, der wird meist enttäuscht - eine alte Weisheit der griechischen Philosophie. Das Glück kommt auf dem Rücken einer guten Tat, indirekt sozusagen, wenn man es eigentlich unbeabsichtigt von sich her kommen lässt; vielleicht ganz unscheinbar. Ich selbst würde nicht gerne über mich sagen, dass ich ein glücklicher Mensch bin - "glücklich" ist kein Zustandsbegriff. Ich würde eher sagen, ich bin ein zuversichtlicher Mensch. Das kann verbunden sein mit "glücklich", und das bin ich durchaus in dem, was ich mir als Aufgabe gewählt habe, auch wenn es mal schwierig ist. Es gibt viele Weisen des Glücklichseins. Augustinus zählt 288 Arten von Glück auf - und das in der Antike, wo das Leben in vieler Hinsicht recht beschränkt war. Manchmal braucht es nur ganz wenig, um Leute ungeheuer glücklich zu machen. Vor 13 Jahren kam ich in eine ganz abgelegene Gegend auf Kuba zur Einweihung einer Kirche. Sie hat 4000 bis 5000 Mark gekostet - es war ein unbeschreibliches Fest, dass die Menschen dort diese Kirche jetzt hatten, dass jemand an sie gedacht hat, und dass auch jemand gekommen ist, um sich mit ihnen zu freuen. Da habe ich gedacht, Mensch, wenn ich das den Leuten zu Hause vermitteln könnte, was für ein Echo man auf Hilfe haben kann! Also ich kann mich freuen, aber ich weiß auch um die Melancholie des Glücks. Wenn das Glück am größten ist, ist immer auch schon Abschied in Sicht. Deshalb gibt es Menschen, die fliehen das Glück, weil sie mehr Traurigkeit empfinden, wenn das Glück vorbeirauscht. Wir sind versucht, das Glück festzuhalten. Wodurch? Oft durch Wiederholung. Das kann schnell schal werden. Es stellt sich bei häufiger Wiederholung auch Langeweile, manchmal sogar Ekel ein. Man braucht eine besondere Kultur des Genießens, um dem flüchtigen Glück alles abzugewinnen und nachher nicht in Traurigkeit zu versinken.

 

"Wenn alles wieder blüht"
D. W. BUCK, REGISSEUR UND SCHAUSPIELER

Für mich ist Frühjahr das Größte. Ich liebe unterschiedliche Jahreszeiten. Für mich ist es wahnsinnig schön, wenn alles wieder blüht. Du bist stark bei dir, wenn du so was wie Frühjahr genießen kannst. Du bist quasi ein Teil von etwas und freust dich auf etwas, was kommen wird.
Glücklich ist man, wenn man zufrieden ist mit dem, was ist, und nicht dauernd versucht, irgendwas zu ändern. Man muss nicht immer rumtoben. Das finde ich ja das Gefährliche an der Presse, dass einem quasi vorgemacht wird, was Glück zu sein hat. Manche versuchen, dem nachzueifern, aber sie werden darüber nie glücklich werden. Deshalb gibt es so viele angeschlagene Leute in der Medienwelt, wo einem andauernd vorgehalten wird, wie schön, wie erfolgreich jemand sein kann, was er für eine tolle Familie hat. Und alle gucken sich die an und sagen: "Oh, die müssen ja glücklich sein." Aber sie definieren nicht ihre eigene Sache.
Für mich gehört zum Glück Individualität. Ich bin beim Spinnen von Ideen mit am glücklichsten, denn man baut sich eine Welt. Berühmt zu sein kann auch eine Katastrophe sein. Das kann ja nie immer währen. Jede Generation hat bestimmte Leute, die berühmt sind. Wenn man gleich mit dem Ruhm groß wird, kann 's gefährlich werden. Brauchst du zum Glücklichsein immer Aufmerksamkeit, bist du ziemlich gearscht. Das gelingt dir nur für kurze Zeit. Ich bin auch glücklich, wenn ich mit meinen Schauspielern nach einem ordentlichen Streit endlich weitergekommen bin. Das tollste Kompliment für mich ist, dass ich ein guter Freund bin, weil das letzten Endes das Wichtigste ist, dass du Leute hast, die dich lieben. Wenn du das nicht hast,
kannst du dir sonst was kaufen. Ich gehe gerne zu Freunden. Ich habe immer ganz viele Schlüssel. Ich kann überall rein. Dass ich darf, das ist das Schönste, was es überhaupt gibt.

(Stern. Nr. 52/2000 vom 20.12.2000. S. 164 ff - Wir danken für die Abdruckerlaubnis! -)

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