Die Hutterer

Enttäuscht über die religiöse Unvollkommenheit gerade auch der neuen Kirchen der Reformation wollten sich im 16. Jahrhundert die Täufer - von ihren Gegnern polemisch Wiedertäufer genannt - uneingeschränkt an der Bibel orientieren. Eine bis heute fortbestehende Gruppierung, die in dieser Zeit entstand, bilden die Hutterer. Ihr Name geht zurück auf den Täufer Jakob Huter, der am 25.2.1536 in Innsbruck auf dem Scheiterhaufen starb. Seine Anhänger flohen von einem Land Europas zum anderen, bis sie in Amerika eine Freistatt fanden. Heute noch gibt es in den USA und Kanada 350 sog. Bruderhöfe mit ca. 30.000 Hutterern.
Als Amerika 1917 Deutschland den Krieg erklärte und damit in den I. Weltkrieg (1914 - 1918) eintrat, erläuterten die Hutterer in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten Wilson ihre Haltung zum Militärdienst:

 

Eine Bittschrift der Hutterer (1917)

An den achtbaren Woodrow Wilson, Präsidenten der Vereinigten Staaten, Washington, D. C.

Unser geehrter Präsident!
Wir, die Hutterischen Brüder, auch als Bruderhof oder kommunistische Mennoniten bekannt, etwa zweitausend Seelen an der Zahl in achtzehn Gemeinden des Süddakota und Montana wohnhaft, als Kirche organisiert seit dem Jahr 1533, wenden uns hier an Sie, Herr Präsident, und all Ihre Gehilfen, um in Kürze Ihnen unsere Grundsätze und Überzeugungen in bezug auf Militärdienst vorzulegen. Da wir nur einfache Leute sind und ungeschult in den Wegen der Welt, bitten wir um Nachsicht, wenn dieser Brief nicht die gebührende Form aufweist.

Die Grundsätze unseres Glaubens, was das praktische Leben anbetrifft, sind Gütergemeinschaft und Wehrlosigkeit. Unser gemeinschaftliches Leben beruht auf dem Grundsatz: "Was mein ist, das ist dein" oder in anderen Worten, auf Bruderliebe und demütigem, christlichem Dienst nach Ap.-Gesch. 2,44 und 45: "Alle aber, die gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge für gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter alle, nachdem jedermann not war." Daher unterscheiden wir uns grundsätzlich von den nichtchristlichen kommunistischen Systemen mit ihrem Grundsatz: "Was dein ist, das ist mein." Wir glauben, das gemeinschaftliche Leben, das nicht auf der christlichen Liebe beruht, wird immer ein Fehlschlag sein. Unsere Bestrebungen sind gänzlich religiöser Art, und wir wissen, dass nur wenige willens sind, unseren Glauben anzunehmen und mit Selbstverleugnung Gott und einander im gemeinschaftlichen Leben zu dienen, wie wir es tun. (...)

Mit Bezug auf den Grundsatz der Wehrlosigkeit ist unsere Stellung ganz im Einklang mit der neutestamentlichen Lehre. Unser Glaubensbekenntnis zeigt, dass wir die Obrigkeit als von Gott verordnet halten, weil nicht alle Menschen Nachfolger des sanftmütigen und demütigen Heilands sind, und wir glauben, die Regierung sollte die Frommen beschützen und die Übeltäter bestrafen, nach Röm. 13,1-7. Die Kirche jedoch muss die ausdrücklichen Lehren und das Beispiel ihres Meisters befolgen. Wir haben nie teilgenommen an der Erwählung von Zivilbeamten. Ohne zu prahlen, können wir sagen, dass wir immer diesem unserem Grundsatz treu geblieben sind. Ins Gericht zu gehen ist gegen unsere Überzeugung und ist unter uns nicht gestattet. Unsere jungen Männer könnten nicht ein Teil der militärischen Einrichtung werden, und sei es nur für "nicht-kämpferischen" Militärdienst, ohne unsre Grundsätze zu verletzen. ( ...)

Unser vollständiges Glaubensbekenntnis wurde verfasst 1540 und zum erstenmal gedruckt 1565. Unsre Geschichte ist mit Blut und Tränen geschrieben und ist großenteils eine Geschichte von Verfolgung und Leiden. Wir haben die Berichte von über zweitausend Personen unsers Glaubens, die den Märtyrertod erlitten haben durch Feuer, Wasser oder Schwert. Unsere Gemeinschaft ist von einem Land zum andern getrieben worden, und lieber als ihren Grundsätzen untreu zu werden, sind sie nach fremden Ländern geflohen, bis sie endlich 1874 von Russland nach diesem Lande auswanderten.

Wir möchten hinzufügen, dass wir unser Land lieben und Gott und der Regierung sehr dankbar sind für die Gewissensfreiheit, die wir bisher genossen haben. Wir sind der von Gott verordneten Obrigkeit gegenüber treu und möchten unserm Land auf irgendeinem Wege dienen, wo nicht unsre christliche Überzeugung verletzt wird; und wir hoffen, Sie glauben auch, dass wir den Lehren des Wortes Gottes und dem Mahnen unseres Gewissens Gehorsam leisten sollten, und dass wir lieber leiden sollten, was Gott zulässt, als zu tun, was wir deutlich erkennen als gegen Gottes Wort. (...)

 Hochachtungsvoll

 

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