Ehe auf Probe? Ehe ohne Trauschein?

 

"Drum prüfe, wer sich ewig bindet!" 
Kann man Liebe und Ehe "testen"?

 

Rund zwei Millionen Paare in Deutschland (1991 waren es noch 1,4 Millionen), das ist fast jedes zweite Paar im Osten und jedes siebte im Westen, nehmen den Spruch: "Drum prüfe, wer sich ewig bindet!" in eher eigenwilliger Weise ernst: Sie leben in sogenannten "nichtehelichen Lebensgemeinschaften" zusammen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Während die einen die Institution Ehe grundsätzlich ablehnen, schrecken andere vor einer Ehe wegen der hohen Scheidungszahlen zurück. Manche wollen sich aber einfach nur nicht auf längere Zeit  binden, weshalb der nicht ehelich verbundene Lebenspartner heute teilweise bereits als "Lebensabschnittsgefährte" bezeichnet wird. Viele sehen in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft jedoch eher eine voreheliche Lebensgemeinschaft, eine Art Ehe auf Probe. Hierfür spricht beispielsweise der überwiegende Anteil jüngerer Menschen in den nichtehelichen Lebensgemeinschaften. So waren 1999 in Baden-Württemberg 46 Prozent dieser Paare beide jünger als 35 Jahre und bei etwa 60 Prozent der Ehen ohne Trauschein sind beide Partner ledig. Bei knapp 30 Prozent ist mindestens ein Partner geschieden und sucht offenbar in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft den Neubeginn einer Partnerschaft.

Die Befürworter der nichtehelichen Lebensgemeinschaft schwärmen von ihrem Modell, das ihnen angeblich neben "Freiheit" vor allem den "unbezahlbaren Reiz, sich des anderen nicht sicher sein zu können", einbringen soll. Sie verteidigen die voreheliche Gemeinsamkeit von Tisch und Bett als "Bewährungsprobe", als "Prüfung", als eine Phase, die gewissermaßen Garantie sein soll für den späteren Zusammenhalt nach dem Motto: "Jetzt haben wir uns zusammengerauft und so lange miteinander ausgehalten, da werden wir den Rest auch noch schaffen."

Sollte man annehmen können, dass eine ausgedehnte Partnersuche mit Ehe auf Probe unpassende Partnerschaften verhindert und zur Stabilität einer dann geschlossenen Ehe beiträgt, ist dies tatsächlich nicht so. Ganz im Gegenteil. Dr. Jörg Otto Hellwig vom Institut für Angewandte Sozialforschung der Universität Köln hat in einer Untersuchung im Jahr 2000 festgestellt, dass von aufgelösten vorehelichen Partnerschaften zwei widersprüchliche Wirkungen auf die Ehestabilität ausgehen können. Einerseits werden voreheliche Partnerschaften zumindest teilweise für die Suche nach einem geeigneten Ehepartner genutzt. Die Erfahrung im Umgang mit solchen Partnerschaften wächst mit der Zahl vorehelicher Gemeinschaften und die Vorstellung von einem geeigneten Partner wird dabei klarer. Dies trägt jedoch keineswegs zur Stabilität einer späteren Ehe bei. Vielmehr werden die Barrieren für eine Scheidung durch voreheliche Trennungserfahrungen gesenkt; denn die Auflösung einer Lebensgemeinschaft wird als Misserfolg empfunden, da die Suche nach einem geeigneten Partner ergebnislos blieb. Demgegenüber bedeutet die Trennung einer Partnerschaft ohne gemeinsamen Haushalt zwar eine Enttäuschung, wird aber nicht als Misserfolg gesehen. Die Geburt von Kindern vor der Eheschließung erhöht weiterhin das Trennungsrisiko. Auch die Erwerbstätigkeit beider Ehepartner, was in nicht ehelichen Verbindungen die Regel ist, wirkt sich auf die Ehestabilität negativ aus.  Die finanzielle Unabhängigkeit durch den eigenen Erwerb erhöht bei Frauen die Scheidungsbereitschaft. Insgesamt hat Dr. Hellwig festgestellt, dass der Verzicht auf Kinder, fehlende religiöse Bindungen, Erwerbstätigkeit der Frau und nicht zuletzt voreheliche Misserfolge das Scheidungsrisiko erhöhen. 

Dass eine Ehe auf Probe zur Stabilität einer späteren Ehe beitrage, weisen die Soziologen seit mindestens einem Jahrzehnt zurück. Wer das Auseinandergehen vor dem Zusammengehen einkalkuliert, der hat bereits den Grundstein für das Scheitern gelegt. Der Trennungsgedanke darf zu Beginn einer auf Dauer angelegten Verbindung keine Rolle spielen. Das gilt für Ehen ebenso wie für Gemeinschaften ohne Trauschein. Ins Wanken gerät die Legende von den positiven Seiten einer Ehe auf Probe durch andere Langzeitstudien. Bereits vor zehn Jahren wurde in den Vereinigten Staaten in einer Studie von Professor Larry Bumpass für die nach einer mehr oder minder langen "Probeehe" endlich verheirateten Paare ein um 40 Prozent höheres Trennungsrisiko ermittelt. Durch Langzeitbeobachtungen ist eines der wichtigsten Argumente der Trauscheinmuffel widerlegt, dass sich durch die Ehe auf Probe die Scheidungsziffern nach unten drücken ließen. Das Gegenteil ist der Fall. 

Darüber hinaus warnen die Juristen uni sono: Partner in nichtehelichen Lebensgemeinschaften leben nicht im rechtsfreien Raum. Aber wo nichts geregelt ist, gibt es grundsätzlich keine gegenseitigen Rechte und Pflichten. Deshalb raten sie dringend an, Vereinbarungen zu treffen über gemeinsame Wohnung und Haushaltsführung, Anschaffung und Bildung von Vermögen, Unterhalt und Versorgung, Betreuung gemeinsamer Kinder, Folgen des Todes eines Partners, eine Trennung ohne Rechtsstreit, ... . Dringendst angeraten wird der individuelle Abschluss eines notariell beurkundeten Partnerschaftsvertrags, womit die vorgegebene Grundidee der "Ehe ohne Trauschein" (siehe oben) ad absurdum geführt wird. An die Stelle des Standesbeamten und des Priesters tritt nunmehr der Notar. Wer dort dann alles haargenau und individuell regeln will, findet vermutlich heraus, dass der Gang zum Standesamt und in die Kirche doch der kürzere und keineswegs der risikoreichere Weg ist.

 

 

Man kann nicht auf Probe lieben

"Ehe und Familie sind zutiefst verknüpft mit der personalen Würde des Menschen. Sie entspringen nicht nur dem Trieb und der Leidenschaft, auch nicht allein dem Gefühl; sie entspringen vor allem einem Entschluss des freien Willens, einer personalen Liebe, durch die die Gatten nicht nur ein Fleisch, sondern auch ein Herz und eine Seele werden. Die leibliche und sexuelle Gemeinschaft ist etwas Großes und Schönes. Sie ist aber nur dann voll menschenwürdig, wenn sie in eine personale, von der bürgerlichen und kirchlichen Gemeinschaft anerkannte  Bindung integriert ist. Volle Geschlechtsgemeinschaft zwischen Mann und Frau hat darum ihren legitimen Ort allein innerhalb der ausschließlichen und endgültigen personalen Treuebindung in der Ehe. Die Endgültigkeit der ehelichen Treue, die heute vielen nicht mehr verständlich erscheinen will, ist ebenfalls ein Ausdruck der unbedingten Würde des Menschen. Man kann nicht nur auf Probe leben, man kann nicht nur auf Probe sterben. Man kann nicht nur auf Probe lieben, nur auf Probe und Zeit einen Menschen annehmen."

Johannes Paul II. in Deutschland. Predigt zum Thema Ehe und Familie. 1980

 

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