Neben Feindesliebe, Gewaltverzicht, Versöhnung fordert
Jesus im Verhältnis zu Besitz und Reichtum eine einschneidende Korrektur.
Doch wie weit ist er hierbei gegangen? Betrachtet er angesichts der
nahenden Gottesherrschaft jegliche Form des Reichtums als verwerflich,
hinderlich, böse, oder geht es ihm eher darum, die Besitzenden auf ihre
soziale Verpflichtung aufmerksam zu machen?
Jesus selbst lebte, nach der Trennung von seiner
Familie, mittellos und seine Jünger hielt er zu
Bedürfnislosigkeit an. Es gab in seiner näheren Umgebung aber auch
Besitzende. Die Familie des Simon Petrus hat ihr Haus in Kafarnaum nicht
aufgegeben. Frauen, Jüngerinnen unterstützten ihn mit ihren finanziellen
Möglichkeiten (Lk 8,3; 10,38). Und es wird weder bei Levi (Mk 2,15) noch
bei Zachäus (Lk 19,8) erwähnt, dass sie ihren ganzen Besitz aufgeben.
In vorliegendem Logion verweist Jesus zunächst
anschaulich auf Besitztümer wie kostbare Gewänder, die von Motten
zerfressen werden, und auf Truhen, in denen Hab und Gut aufbewahrt und die
vom Wurm zernagt werden. Antithetisch stellt er dem den "Schatz im
Himmel" gegenüber. Er nimmt damit eine herkömmliche Redewendung
auf: Wer "Gerechtigkeit" übt, erwirbt sich einen Schatz im
Himmel. Gerechtigkeit (hebr. Zedaka) meint Wohltätigkeit. Die Vorstellung ist: Das als
Almosen weggegebene Geld wird gleichsam in himmlischen Schätzen wieder
erstattet. Doch Jesu Wort geht darüber hinaus. Es geht ihm erneut um die
Lauterkeit des Herzens. Die Gesamtrichtung des menschlichen Strebens ist
gemeint. Woran hängt das Herz des Menschen, am Irdischen und
Vergänglichen oder an dem, was darüber hinaus Bestand hat? Beim
"Schatz im Himmel" ist also wiederum an das Reich Gottes
gedacht.
Das unbedingte "Entweder - Oder" wird an zwei
Gleichnissen illustriert. Die wörtliche Übersetzung "gutes /
gesundes Auge" meint im Hebräischen "Wohlwollen, Gutmütigkeit", die
wörtliche Übersetzung "böses / krankes Auge" meint
"Neid, Missgunst". Also: "Wenn du wohlwollend bist, so wird
dein ganzer Leib von Licht erfüllt, wenn du neidig und missgünstig bist,
so wird dein ganzer Leib verfinstert." Das zweite Gleichnis beruht
auf dem damals bestehenden Recht, demzufolge ein Sklave zugleich zwei
Herren gehören konnte. Das führte zu Unzuträglichkeiten. Das
hebräische Begriffspaar "hassen" - "lieben" bedeutet
eigentlich "bevorzugen" bzw. "hintansetzen, benachteiligen". Also:
"Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen bevorzugen und
den anderen hintansetzen, oder er wird zu dem einen halten und den anderen
verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon."
Der als Fremdwort beibehaltene Begriff Mammon ist an
sich noch nicht negativ besetzt, hat aber eine festgeprägte Bedeutung:
Besitz, Habe, Luxus. In Antithese zu Gott erscheint der Mammon als Götze.
Mammonsdienst ist Götzendienst. Die Faszination, die von ihm ausgeht,
vermag den Menschen völlig in Beschlag zu nehmen und vor allem ihn Gott
vergessen und sich gar gegen ihn stellen zu lassen.
Nach Mt 19,21 ist die Preisgabe des Besitzes die
Bedingung der Vollkommenheit: "Wenn du vollkommen sein willst, geh,
verkaufe deinen Besitz ..." Zwar ist das an den reichen Mann
ergehende Wort für diesen verpflichtend, aber nicht von genereller
Natur. Jesus hat Besitzverzicht nicht generell gefordert, Besitz und
Reichtum nicht an sich als etwas Verwerfliches angesehen. Er hat aber
eindringlich vor den Gefahren des Reichtums gewarnt, der den Menschen
verstricken kann, so dass er den eigentlichen Sinn seines Lebens verfehlt.
Jesus denkt und urteilt auf den Menschen hin. Nicht der Besitz, das Geld,
der Reichtum an sich sind böse, aber der Umgang mit ihnen verleitet zum
Bösen, zum skrupellosen Egoismus und dazu, den Armen zu vergessen. |