Glücklich oder selig?

 

Die meisten Menschen kennen Erfahrungen, die sie als Quelle von Glück, Zufriedenheit und Sinn empfinden. Die Chance, Glück, Zufriedenheit und Sinn zu erfahren, hängt einerseits von günstigen äußeren Umständen und Situationen ab. Andererseits kann ein Mensch auch in günstigen Situationen nur dann Glück und Zufriedenheit empfinden, wenn er die Fähigkeit entwickelt, irgendwo Freude zu erleben, an etwas interessiert zu sein, etwas zu genießen, etwas oder jemanden zu lieben, etwas aktiv und kreativ zu gestalten ...

 

In der Bergpredigt ist jedoch nicht von "glücklich", sondern von "selig" die Rede. Besagen beide Wörter dasselbe?

 

Glücklich oder selig?

Selig, ... ... denn ...
... die arm sind vor Gott, ... ihnen gehört das Himmelreich.
... die Trauernden, ... sie werden getröstet werden.
... die keine Gewalt anwenden, ... sie werden das Land erben.
... die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, ... sie werden satt werden.
... die Barmherzigen, ... sie werden Erbarmen finden.
... die ein reines Herz haben, ... sie werden Gott schauen.
... die Frieden stiften, ... sie werden Söhne Gottes genannt werden.
... die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, ... ihnen gehört das Himmelreich.
... wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet, ... euer Lohn im Himmel wird groß sein.

(© 1980 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart)

 

Was wir gewöhnlich als glücklich bezeichnen, das steigert Jesus mit dem Ausdruck "selig" in religiöse Dimensionen.
Ein im Sinne Jesu glücklicher Mensch ist dies nicht erst im Jenseits; denn das Reich Gottes hat mit Jesus seinen Anfang genommen. Die nicht mehr überbietbare "Seligkeit" des Menschen findet ihre Vollendung im Jenseits.
Jesu ethische Weisungen sind zu sehen im Horizont dieser Erwartung, dass Gott jetzt endgültig zur Herrschaft kommt, dass er jetzt sein Reich errichtet und vollendet. Die ethischen Weisungen der Bergpredigt sind ethische Weisungen im Vorgriff auf dieses endgültige endzeitliche Handeln Gottes. So soll das Handeln der Jünger Jesu schon jetzt ein Zeichen sein für das Reich Gottes.
Die Bergpredigt ist also nicht herauszulösen aus dem Gesamtzusammenhang der Verkündigung Jesu: Den radikalen Forderungen geht voraus die Zusage der anbrechenden Gottesherrschaft. Eine solche Zusage geschieht z. B. in den Seligpreisungen: Selig sind die, die nach den üblichen menschlichen Maßstäben gerade nicht "von Glück reden" können. Die zutiefst Bedürftigen wissen besser als die, die scheinbar glücklich leben, dass sie bedürftig und auf Hilfe angewiesen sind. Menschen, die um die eigene Bedürftigkeit und die ihrer Mitmenschen wissen, sind offen für die Gottesherrschaft und können den Zuspruch, die "Frohe Botschaft" (Evangelium) besser hören und verstehen.

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