Rezensionen

www.penthesilea-projekt.de

„Die Bilder gestürzt,
Das Wunschtraum-Netz zerrissen:
Nonverbaler Crash.“

So lautet der Abschiedsbrief, den die 17-jährige Anna am Ende einer langen Reihe unterschiedlichster und doch zusammenhängender Ereignisse in den Händen hält. Oder sollte man besser von Zufällen reden?
Welche Bilder wurden gestürzt? Welches Wunschtraum- Netz wurde zerrissen? Und vor allem, wer schrieb Anna diesen Abschiedsbrief?  Renate Günzel-Horatz und 13 jugendliche Co-Autoren des Gertrud-von-le-Fort-Gymnasiums Oberstdorf geben die Antwort in dem eben erschienenen Jugendbuch „www.penthesilea-projekt.de“, dem Ergebnis eines neuartigen Projektes der oben genannten Autorin und von Manfred Schäfer, einem engagierten Oberstdorfer Lehrer.
„Alles begann in der Silvesternacht“, so lautet der erste Satz des ersten Kapitels. Er könnte wohl auch lauten „Alles begann, als ich mich das erste Mal in den Chat einloggte“, oder: „Alles begann, als ich Operator des neuen Raums Hilfe!!! wurde“. Andere Möglichkeiten wären wohl „Alles begann mit der Strafarbeit, die mir Doc Hirte verpasste“, „Alles begann mit der bipolaren Störung meiner Mutter“, „Alles begann mit dieser verdammten Einsamkeit, die mich nach dem Umzug in die neue Stadt umgab“, „Alles begann mit der Pizzalieferung an Annemarie Frederes“, man könnte wohl endlos Romananfänge aus den unterschiedlichsten Perspektiven suchen und würde etliche finden, denn Renate Günzel-Horatz hat viele unterschiedliche Problemfelder in ihr Buch eingeflochten, die, alle zusammenhängend, die Handlung weiterführen und die Verhaltensweisen erklären.
Zunächst mag es scheinen, dass das Hauptthema die Frage nach der Identität ist, die Frage „Wer bin ich?“, stark verknüpft mit der Frage „Wer möchte ich sein?“. Diese Fragen finden vor allem Ausdruck in der Flucht in eine irreale Welt, nämlich in die Welt des Internets, in der Flucht in die „Chatwelt“, die viele, aber nicht, wie mancher meinen mag, nur Jugendliche vollziehen. Diese Fragen können größtenteils, aber nicht ausschließlich aus dieser Perspektive heraus erörtert und interpretiert werden.
Aber darüber hinaus spielen auch Themen wie Einsamkeit, Gruppenzwang, Gewalt, Selbstmord, Enttäuschungen, Neid und Eifersucht, Liebe und Liebeskummer eine Rolle. Renate Günzel-Horatz stellt auch die Frage nach den Werten und Normen unserer heutigen Gesellschaft, „Was ist cool? Was ist uncool? Wann gehört man dazu? Darf man auch noch Gefühle haben und diese zeigen?“.
Darüber hinaus zeigt die Autorin auch den Einfluss der sozialen Komponente auf, die viele Menschen nicht sehen wollen. So erlaubt es das Gehalt von Annas Mutter nicht, den Skiaufenthalt in Oberstdorf zu finanzieren, so ist es hingegen Anna, die ihrer Mutter nicht nur einmal finanziell aus der Patsche helfen musste.
Renate Günzel-Horatz verweist des weiteren auf außer uns liegende Kräfte. So wird Annas Leben auch von einer immer schlimmer werdenden unheilbaren bipolaren Störung ihrer Mutter bestimmt, die ihr das Leben noch zusätzlich erschwert.

Alles in allem ist das Projekt durch und durch gelungen. Die Autorin versteht es, den Leser von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel in ein einmalig farbenreiches Leseabenteuer zu entführen, das auch genug Platz für die eigene Fantasie lässt. Das Buch ist nicht nur spannend, sondern gibt auch viele Impulse zum Nachdenken. Zuletzt ist es nicht nur ein Buch für Jugendliche. Ich bin mir sicher, dass auch Erwachsene Gewinnbringendes aus dem Buch für sich entnehmen können.

02.01.2005                                      Katharina Stephan  

 


23.05.2008
... Ich hab kein absolutes Lieblingsbuch, prinzipiell lese ich alles. In besonders guter Erinnerung geblieben sind mir aber „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafon, ein unglaublich poetisches Buch, sowie www.penthesilea-projekt.de von Renate Günzel-Horatz, eine sehr sensibel erzählte Geschichte über viel mehr als nur das Thema „Anonymität im Internet“ (meine Rezension zu diesem Buch gibt es als Podcast
).
                                               Mirjam Eiswirth (17)

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