Die
Zweiquellentheorie geht davon aus, dass die Evangelisten Mattäus und Lukas bei der Abfassung ihrer
Evangelien zwei Hauptvorlagen hatten: das Markusevangelium und ein weiteres,
schon früh verlorengegangenes Dokument, nämlich die Logienquelle (Q), auch
Spruchquelle oder Spruchevangelium genannt.
Von den vier Evangelien, die uns im NT überliefert sind, stehen sich
die ersten drei Evangelien (Mt, Mk, Lk) sowohl in ihrem Inhalt als auch
im Wortlaut und in der Anordnung des Stoffes besonders nahe. Da man
diese drei Evangelien (gewöhnlich in drei Spalten nebeneinander
abgedruckt) direkt miteinander vergleichen kann, nennt man sie auch die
synoptischen Evangelien und deren Verfasser die Synoptiker (abgeleitet
vom gr. "syn" - "zusammen" und "opsis" -
"Sehen"). Eine Synopse ist demnach eine Textausgabe der
Evangelien, in der die parallelen Texte dieser drei Evangelien in
Spalten nebeneinander abgedruckt sind.
Das Johannesevangelium nimmt eine Sonderstellung ein, denn es weicht
sowohl in den Inhalten wie in den Formulierungen und in der Abfolge der
Perikopen (Texteinheiten) ganz erheblich von den Synoptikern ab.
Von den drei synoptischen Evangelien ist mit insgesamt 661 Versen das Mk
das kürzeste, dann kommt Mt mit 1068 und Lk mit 1149 Versen. Auffallend
ist, dass von den 661 Mk-Versen 660 bei Mt und 350 bei Lk vorhanden
sind. Daneben finden sich bei Mt und Lk weitere 235 parallele Verse. Die
exegetische Forschung geht heute wohl begründet davon aus, dass
Mattäus und Lukas eine weitere gemeinsame Vorlage hatten, nämlich die
Redequelle / Logienquelle (Q). Über 40 Forscherinnen und Forscher haben
in den letzten Jahren versucht, diesen nicht mehr erhaltenen Text zu
rekonstruieren. Die Forschung nimmt an, dass Q noch vor dem Mk
entstanden und der dort verarbeitete Stoff zumindest in seinen Anfängen
in Galiläa zusammengestellt worden ist. Q ist jedoch keine bloße
Sammlung von Aussprüchen Jesu (logion!), sondern der/die Verfasser von
Q haben ebenso wie die Evangelisten die Überlieferungen, die ihnen
vorlagen, bearbeitet. Ein Passionsbericht, die Erzählungen von den
Erscheinungen des Auferstandenen, der Christus-Titel für Jesus und
überhaupt weitgehend erzählende Passagen fehlen in Q. Häufig wird auch mit verschiedenen Rezensionen von Q gerechnet, die
dann in der Regel mit QMt
(von Mattäus verwendete Fassung von Q) und QLk
(von Lukas verwendete Fassung von Q) bezeichnet werden.
Daneben haben Mt und Lk noch 233 (Mt) bzw. 564 Verse (Lk), die sich nur
bei ihnen finden (Sondergut).
Auch wenn anhand der Zweiquellentheorie nicht alle bestehenden Fragen
geklärt werden können, gibt es nach dem Urteil der Mehrheit der
Exegeten derzeit keine Alternative zur Zweiquellentheorie, die den
synoptischen Befund auch nur annähernd so gut verständlich machen
könnte.
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