Ich bin Jahwe, dein Gott,
der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten,
dem Sklavenhaus.

(Ex 20,2; Dtn 5,6)

 

Wenn Gott die Israeliten in die Freiheit geführt hat, wie konnte es dann in Israel noch Sklaven geben?

Man kann zunächst einmal davon ausgehen, dass es sich bei den Sklaven in Israel um Menschen handelte, die als Kriegsgefangene in Israel in Sklaverei geraten waren:

"Wenn du zum Kampf gegen deine Feinde ausziehst und der Herr, dein Gott, sie alle in deine Gewalt gibt, wenn du dabei Gefangene machst und unter den Gefangenen eine Frau von schöner Gestalt erblickst, wenn sie dein Herz gewinnt und du sie heiraten möchtest, dann sollst du sie in dein Haus bringen, und sie soll sich den Kopf scheren, ihre Nägel kürzen und die Gefangenenkleidung ablegen. Sie soll in deinem Haus wohnen und einen Monat lang ihren Vater und ihre Mutter beweinen. Danach darfst du mit ihr Verkehr haben, du darfst ihr Mann werden und sie deine Frau. Wenn sie dir aber nicht mehr gefällt, darfst du sie entlassen, und sie darf tun, was sie will. Auf keinen Fall darfst du sie für Silber verkaufen. Auch darfst du sie nicht als Sklavin kennzeichnen. Denn du hast sie dir gefügig gemacht." (Dtn 21,10-14).

Aber auch Israeliten selbst  wurden im Land der Sieger versklavt:

"Nun hatten die Aramäer bei einem Streifzug ein junges Mädchen aus dem Land Israel verschleppt." (2 Kön 5,2)

"So spricht der Herr: Wegen der drei Verbrechen, die Gaza beging, wegen der vier nehme ich es nicht zurück: Weil sie ganze Gebiete netvölkerten, um die Verschleppten an Edom auszuliefern, darum schicke ich Feuer in Gazas Mauern; es frißt seine Paläste" (Am 1,6f)

Israeliten selber konnten aber auch im eigenen Land in Sklaverei geraten, beispielsweise in Notzeiten, wenn sie verarmten. So wurden die Kinder einer Witwe wegen der Überschuldung der Mutter zu Sklaven des Gläubigers:

"Eine von den Frauen der Prophetenjünger wandte sich laut rufend an Elischa: Mein Mann, dein Knecht, ist gestorben. Du weißt, dass dein Knecht gottesfürchtig war. Nun kommt der Gläubiger, um sich meine beiden Söhne als Sklaven zu nehmen." (2 Kön 4, 1). 

Schuldknechtschaft war in Israel bereits vor dem Babylonischen Exil gegeben:

"Die Männer des einfachen Volkes und ihre Frauen erhoben aber laut Klage gegen ihre jüdischen Stammesbrüder: Die einen sagten: Wir müssen unsere Söhne und Töchter verpfänden, um Getreide zu bekommen, damit wir zu essen haben und leben können. Andere sagten: wir müssen unsere Felder, Weinberge und Häuser verpfänden, um in der Hungerzeit Getreide zu bekommen. Wieder andere sagten: Auf unsere Felder und Weinberge mussten wir Geld aufnehmen für die Steuern des Königs. Wir sind doch vom selben Fleisch wie unsere Stammesbrüder; unsere Kinder sind ihren Kindern gleich, und doch müssen wir unsere Söhne und Töchter zu Sklaven erniedrigen."  (Neh 5, 1-5). 

Man konnte also wegen fortgesetzter Missernten in die Lage kommen, erst seine Weinstöcke, dann seine Felder und schließlich Söhne und Töchter verpfänden zu müssen. Nicht selten waren Kleinbauern gezwungen, zum Überleben Schulden aufzunehmen und zur Tilgung dann ihre Kinder zu verkaufen. Dass diese Schuldknechtschaft in Israel sehr alt war, belegen Gesetze aus dem 8. Jh., die zum Schutz der Sklaven erlassen wurden:

"Wenn einer seinen Sklaven oder seine Sklavin mit dem Stock schlägt, dass er unter seiner Hand stirbt, dann muss der Sklave gerächt werden. ... Wenn einer seinem Sklaven oder seiner Sklavin ein Auge ausschlägt, soll er ihn für das ausgeschlagene Auge freilassen. Wenn er seinem Sklaven oder seiner Sklavin einen Zahn ausschlägt, soll er ihn für den ausgeschlagenen Zahn freilassen."  (Ex 21,20 ff)

Der Sklave war schutzbedürftiges Individuum, aber auch weitervererbbarer Privatbesitz.

 

Die Existenz als Sklave war in Israel jedoch temporär. 
Mit der Abzahlung der Schuld wurde sie beendet: 
Neh 5,8: "Wir haben von unseren jüdischen Stammesbrüdern, die an andere Völker verkauft worden waren, so viele wie möglich losgekauft." 
Die Dauer war darüber hinaus von vornherein begrenzt. Sie betrug sechs Jahre:

"Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre Sklave sein, im siebten Jahr soll er ohne Entgelt als freier Mann entlassen werden."  (Ex 21,2)

"Wenn dein Bruder, ein Hebräer - oder auch eine Hebräerin -, sich dir verkauft, soll er dir sechs Jahre als Sklave dienen. Im siebten Jahr sollst du ihn als freien Mann entlassen. Und wenn du ihn als freien Mann entlässt, sollst du ihn nicht mit leeren Händen entlassen. Du sollst ihm von deinen Schafen und Ziegen, von deiner Tenne und von deiner Kelter so viel mitgeben, wie er tragen kann. Wie der Herr, dein Gott, dich gesegnet hat, so sollst du ihn bedenken. Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat der Herr, dein Gott, dich freigekauft. Darum verpflichte ich ich heute auf dieses Gebot. ... Halt es nicht für eine Härte, wenn du ihn als freien Mann entlassen musst; denn was er in den sechs Jahren für dich erarbeitet hat, entspricht dem, was du einem Taglöhner als Lohn hättest zahlen müssen." ( Dtn 15,12-15.18). 

Ein Sklave konnte aber auch in der Familie seines Herrn bleiben:

"Wenn dieser Sklave dir aber erklärt: Ich will nicht von dir freigelassen werden - denn er hat dich und deine Familie liebgewonnen, weil es ihm bei dir gut ging -, so nimm einen Pfriem und stich ihn durch sein Ohr in die Tür. Dann ist er dein Sklave für immer. Bei einer Sklavin sollst du das gleiche tun." (Dtn 15,16f)

War der Sklave verheiratet in seinen Dienst eingetreten, konnte seine Frau mit ihm in die Freiheit zurückkehren. Hatte er während der Versklavung geheiratet, konnte er wählen, bei Frau und Kindern zu bleiben oder allein weg zu gehen:

"Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, soll er sechs Jahre Sklave bleiben, im siebten Jahr soll er ohne Entgelt als freier Mann entlassen werden. Ist er allein gekommen, soll er allein gehen. War er verheiratet, soll seine Frau mitgehen. Hat ihm sein Herr eine Frau gegeben und hat sie ihm Söhne oder Töchter geboren, dann gehören Frau und Kinder ihrem Herrn, und er muss allein gehen. Erklärt aber der Sklave: Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, und will nicht als freier Mann fortgehen, dann soll ihn sein Herr vor Gott bringen, er soll ihn an die Tür oder an den Türpfosten bringen und ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren; dann bleibt er für immer sein Sklave." (Ex 21,2-6). 

Eine unverheiratet Sklavin konnte die Geliebte ihres Herrn oder seines Sohnes werden:

"Wenn einer seine Tochter als Sklavin verkauft hat, soll sie nicht wie andere Sklaven entlassen werden. Hat ihr Herr sie für sich selbst bestimmt, mag er sie aber nicht mehr, dann soll er sie zurückkaufen lassen. Er hat nicht das Recht, sie an Fremde zu verkaufen, da er seine Zusage nicht eingehalten hat. Hat er sie für seinen Sohn bestimmt, verfahr er mit ihr nach dem Recht, das für Töchter gilt. Nimmt er sich noch eine andere Frau, darf er sie in Nahrung, Kleidung und Beischlaf nicht benachteiligen. Wenn er ihr diese drei Dinge nicht gewährt, darf sie unentgeltlich, ohne Bezahlung, gehen." (Ex 21,7-11).

In diesem Fall war nach Ablauf der sechs Jahre der Herr auch künftig sorgepflichtig. Eine Sklavin aus einem besiegten Volk dagegen konnte in die Freiheit weggeschickt werden.

 

Sklaven waren sicher nicht zu beneiden:

"Gib deinem Sklaven Arbeit, sonst sucht er das Nichtstun. Trägt er den Kopf hoch, wird er dir untreu. Joch und strick beugen den Nacken, dem schlechten Sklaven gehören Block und Folter. Gib deinem Sklaven Arbeit, damit er sich nicht auflehnt; denn einem Müßigen fällt viel Schlechtigkeit ein. Befiehl ihn zur Arbeit, wie es ihm gebührt; gehorcht er nicht, leg ihn in schwere Ketten! Aber gegen keinen sei maßlos, und tu nichts ohne gutes Recht." (Sir 33,26-30)

Oft ist berichtet, dass Sklaven entflohen (1 Sam 25,10; 1 Kön 2,39). Oft war schlechte Behandlung Grund der Flucht. Deshalb fordert die Bibel, den Sklaven wie einen Bruder zu behandeln:

"Hast du nur einen einzigen Sklaven, halt ihn wie dich selbst; denn wie dich selbst hast du ihn nötig. Hast du nur einen einzigen Sklaven, betrachte ihn als Bruder, wüte nicht gegen dein eigenes Blut. Behandelst du ihn schlecht, und er läuft weg und ist verschwunden, wie willst du ihn wieder finden?" (Sir 33,31-33).

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