Glücklich - auch in Extremsituationen?

Ist es möglich, auch unter großen Belastungen und sogar angesichts des bevorstehenden Todes glücklich zu sein?

Die Geschwister 

Hans und Sophie Scholl

bildeten zusammen mit anderen Studenten und Wissenschaftlern den Widerstandskreis "Weiße Rose". Sie waren seit 1942 an der Ludwig-Maximilians-Universität München aktiv und traten vor allem durch Flugblattaktionen in Erscheinung, die gegen die Nationalsozialisten gerichtet waren. Am 18. Februar 1943 wurden sie verraten und drei Tage später hingerichtet. Ihre Schwester Inge Scholl stellt in ihrem Buch "Die weiße Rose" die letzte Begegnung der Eltern mit ihrem Sohn Hans und ihrer Tochter Sophie im Gefängnis kurz vor der Hinrichtung folgendermaßen dar:

 

 

 

"Inzwischen war es meinen Eltern wie durch ein Wunder gelungen, ihre Kinder noch einmal zu besuchen. Eine solche Erlaubnis war fast unmöglich zu erhalten. Zwischen 16 und 17 Uhr eilten sie zum Gefängnis. Sie wussten noch nicht, dass dies endgültig die letzte Stunde ihrer Kinder war.
Zuerst wurde ihnen Hans zugeführt. Er trug Sträflingskleider. Aber sein Gang war leicht und aufrecht, und nichts Äußeres konnte seinem Wesen Abbruch tun. Sein Gesicht war schmal und abgezehrt, wie nach einem schweren Kampf. Er neigte sich liebevoll über die trennende Schranke und gab jedem die Hand. "Ich habe keinen Hass, ich habe alles, alles unter mir." Mein Vater schloss ihn in die Arme und sagte: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen, es gibt noch eine Gerechtigkeit." Darauf trug Hans Grüße an alle seine Freunde auf. Als er zum Schluss noch den Namen eines Mädchens nannte, sprang eine Träne über sein Gesicht, und er beugte sich über die Barriere, damit niemand sie sehe. Dann ging er, ohne die leiseste Angst, und von einem tiefen Enthusiasmus erfüllt.
Darauf wurde Sophie von einer Wachtmeisterin herbeigeführt. Sie trug ihre eigenen Kleider und ging langsam und gelassen und sehr aufrecht. (Nirgends lernt man so aufrecht gehen wie im Gefängnis.) Sie lächelte, als schaue sie in die Sonne. Bereitwillig und heiter nahm sie die Süßigkeiten, die Hans abgelehnt hatte: "Ach ja, gerne, ich habe ja noch gar nicht Mittag gegessen." Es war eine ungewöhnliche Lebensbejahung bis zum Schluss, bis zum letzten Augenblick. Auch sie war um einen Schein schmaler geworden, aber ihre Haut war blühend und frisch - das fiel der Mutter auf wie noch nie -, und ihre Lippen waren tiefrot und leuchtend. "Nun wirst du also gar nie mehr zur Türe hereinkommen", sagte die Mutter. "Ach, die paar Jährchen, Mutter", gab sie zur Antwort. Dann betonte auch sie, wie Hans, fest und überzeugt: "Wir haben alles, alles auf uns genommen", und sie fügte hinzu: "Das wird Wellen schlagen."
Das war in diesen Tagen ihr großer Kummer gewesen, ob die Mutter den Tod gleich zweier Kinder ertragen würde. Aber nun, da sie so tapfer und gut bei ihr stand, war Sophie wie erlöst. Noch einmal sagte die Mutter: "Gelt, Sophie: Jesus." Ernst, fest und fast befehlend gab Sophie zurück: "Ja, aber du auch." Dann ging auch sie - frei, furchtlos, gelassen. Mit einem Lächeln im Gesicht.

Aus: Inge Scholl, Die weiße Rose. Fischer Taschenbuchverlag. Frankfurt am Main. 1983, S. 81 f

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